Cheffing: Den Vorgesetzten subtil steuern

Nicht jeder Vorgesetzte wird seiner Rolle gerecht. In solchen Situationen kann es passieren, dass Mitarbeiter ihren Chef oder ihre Chefin subtil steuern. Sie nehmen Einfluss auf die Führungskraft, um auf positive Entwicklungen hinzuwirken. Das ist auch unter der Bezeichnung Cheffing bekannt. Wie Cheffing aussehen kann, welche Chancen es bietet und welche Risiken damit verbunden sein können – darum geht es in diesem Beitrag.

Ein Mitarbeiter im Gespräch mit der Chefin, was ist Cheffing?

Was ist Cheffing und wann kann es sich eignen?

Normalerweise ist die Aufgabenverteilung zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern klar: Die Führungskraft gibt die Richtung vor, der Mitarbeiter führt aus. In manchen Fällen hapert es allerdings an der Umsetzung. Vom Chef oder der Chefin kommt vielleicht nicht genug Input, oder der Vorgesetzte trifft Entscheidungen, die nicht zielführend sind. Die Folge: Die Mitarbeiter merken, dass die Art und Weise, in der ihr Chef führt, nicht zu guten Ergebnissen führt.

Vor so einem Hintergrund kann es passieren, dass sich Beschäftigte dazu entscheiden, ihren Vorgesetzten subtil zu steuern. Man nennt das auch Cheffing. Dabei beeinflussen Arbeitnehmer den Chef oder die Chefin in niederschwelliger Art und Weise. Sie lenken den Vorgesetzten dabei zum Beispiel durch Hinweise in eine bestimmte Richtung oder steuern sein Verhalten durch Anregungen und Ideen.

Cheffing mag nach Manipulation aussehen und ist es letztlich auch: Der Chef weiß schließlich nicht, dass er von Mitarbeitern gesteuert wird. Er ist sich in der Regel nicht darüber im Klaren, dass seine Entscheidungen nicht zwingend auf eigene Ideen und Vorstellungen zurückgehen, sondern dass er die Pläne von Mitarbeitern umsetzt.

In welchen Situationen es passieren kann, dass Mitarbeiter ihren Chef subtil steuern

Von Manipulation zu sprechen würde jedoch suggerieren, dass Cheffing in jedem Fall etwas Negatives ist. Das muss nicht der Fall sein – Mitarbeiter, die ihren Chef von unten führen, tun das oft nicht aus Eigennutz. Sie wollen vielmehr auf positive Entwicklungen für das ganze Team hinwirken. Manchmal fühlen sie sich fast schon genötigt, einzugreifen, damit der Vorgesetzte den Karren nicht gegen die Wand fährt.

Kommt es zu Cheffing, hängt das meist mit Mängeln in der Führung zusammen. Manche Chefs sind schlecht darin, ihre Mitarbeiter zu führen. Sie geben zum Beispiel unklare Anweisungen oder kommunizieren gar nicht ausreichend mit den Beschäftigten. Vielleicht haben sie auch – aus Sicht ihrer Mitarbeiter –falsche Vorstellungen davon, welcher Weg der beste ist. Oder es mangelt ihnen an Fachwissen oder Expertise, um bestimmte Entscheidungen zielführend treffen zu können.

In solchen Situationen können Mitarbeiter das Gefühl haben, sich für eine positive Entwicklung einsetzen zu müssen. Sie können dem Chef oder der Chefin nicht offen sagen, was sie von bestimmten Dingen halten – damit würden sie sich womöglich unbeliebt machen oder gar auf die Abschussliste bringen. Stattdessen bleibt ihnen in vielen Fällen nur, durch Führung von unten subtil Einfluss auf das Verhalten des Vorgesetzten zu nehmen.

Welche Vorteile Cheffing bieten kann

Cheffing kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmen Vorteile bieten. Wenn Beschäftigte sich für Führung von unten entscheiden, geschieht das nicht selten aus der Not heraus. Sie sind mit der Führung durch ihren Chef oder ihre Chefin unzufrieden und glauben nicht, dass der Vorgesetzte sein Team in die richtige Richtung lenken kann. Nicht selten wissen Arbeitnehmer es nicht nur gefühlt, sondern auch tatsächlich besser als ihr Chef. Sie sind es schließlich, die hautnah am Geschehen dran sind. Sie wissen oft am besten, was getan werden muss, damit sie selbst und ihr Team erfolgreich sind.

Steuern Mitarbeiter Führungskräfte von unten, kann ihnen das die Arbeit erleichtern. Sie können womöglich ihre Ziele effektiver erreichen und helfen auch Kollegen dabei, ihre Arbeit reibungslos ausführen zu können. Das kann die Zufriedenheit im Team erhöhen und dafür sorgen, dass die Mitarbeiter bessere Leistungen erbringen. Wer im Job das Gefühl hat, etwas Positives zu bewirken, ist eher motiviert und hat oft mehr Spaß an der Arbeit. Während eine mangelnde oder schlechte Führung Frust auslösen und demotivierend wirken kann, hat Führung von unten das Potenzial, solche Mängel auszugleichen.

Wie Unternehmen von Führung von unten profitieren können

Auch Unternehmen haben etwas davon, wenn Mitarbeiter aktiv werden, wenn es Probleme bei der Führung gibt. Es ist nicht in ihrem Sinne, wenn Führungskräfte ihre Untergebenen nicht optimal anleiten und steuern. Hapert es an der Führung, kann das negative, manchmal auch verheerende Auswirkungen auf die Leistungen der Mitarbeiter und die Produktivität im Unternehmen haben. Schlechte Führung ist damit ein Hindernis für den Erfolg von Firmen.

Greifen Mitarbeiter ein und lenken ihren Chef oder ihre Chefin in eine zielführende Richtung, können Probleme kompensiert werden. Langfristig ist es jedoch wichtig, dass schlechte Führung auf höheren Ebenen auffällt und Verantwortliche gezielt auf eine Verbesserung hinwirken – zum Beispiel mit personellen Wechseln oder durch veränderte Zielvorgaben an die betreffende Führungskraft.

Führung von unten: Risiken & Herausforderungen

Cheffing hat eigentlich einen positiven Hintergrund: Beschäftigte, die ihren Chef von unten führen, haben Mängel in dessen Führung erkannt und versuchen, auf eine Verbesserung hinzuwirken. Führung von unten birgt jedoch auch Risiken, die Arbeitnehmern im Vorfeld bewusst sein sollten.

Besonders riskant ist es, wenn Cheffing auffällt. Wenn der Vorgesetzte bemerkt, dass er gezielt gesteuert wird, fällt das negativ auf den betreffenden Mitarbeiter zurück. Die Chefin fühlt sich womöglich manipuliert oder glaubt, dass der Mitarbeiter ihre Autorität nicht achtet. Vielleicht hat der Chef auch das Gefühl, dass ein Mitarbeiter seinen Posten haben will. All das wirkt sich nicht positiv auf die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter aus. Die Führungskraft ist womöglich schlecht auf den Mitarbeiter zu sprechen. Vielleicht versucht sie sogar, den Beschäftigten loszuwerden. Schlimmstenfalls kann aus Arbeitnehmersicht also eine Abmahnung oder gar Kündigung auf Cheffing folgen. 

Selbst wenn das Cheffing nicht auffliegt, birgt es gewisse Fallstricke für Arbeitnehmer. Die Aufgaben des Chefs teilweise übernehmen zu müssen, kostet Zeit und Energie. Dadurch kann es sein, dass Beschäftigte ihre eigentlichen Aufgaben vernachlässigen (müssen). Das kann zu schlechteren Leistungen führen und dadurch ihrem Ruf schaden – mit potenziell negativen Folgen für die Karriere.

Ebenso ist es denkbar, dass sich Arbeitnehmer mit Cheffing bei ihren Kollegen unbeliebt machen. Diese unterstellen ihnen womöglich egoistische Motive oder lehnen es ab, dass ein Kollege auf ihre Arbeit Einfluss nehmen will. Das kann für Konflikte im Team sorgen und das Betriebsklima verschlechtern.

Cheffing erfolgreich umsetzen: Tipps

Cheffing birgt für Arbeitnehmer gewisse Risiken. Lohnen kann es sich trotzdem – vor allem bei eklatanten Mängeln in der Führung durch die eigentliche Führungskraft. Entscheidend ist jedoch, dass Beschäftigte dabei zielgerichtet vorgehen. Dabei darf der Chef oder die Chefin nicht bemerken, dass er oder sie von unten gesteuert wird.

Wie geht man am besten vor, wenn man den Vorgesetzten von unten führen möchte? Damit eine Steuerung überhaupt möglich ist, ist eine gute Beziehung zur Führungskraft essenziell. Je besser die Beziehung, desto eher können Beschäftigte Ideen äußern, die auch tatsächlich Gehör finden. Unter diesen Voraussetzungen können Mitarbeiter kritische Rückmeldungen auch etwas deutlicher formulieren, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Der erste Schritt besteht beim Cheffing also darin, die Beziehung zum Chef oder der Chefin zu verbessern oder zu pflegen.

In der Praxis kann Cheffing so aussehen, dass Mitarbeiter gezielt Ideen einbringen, wie bestimmte Abläufe verbessert oder Entscheidungen aussehen könnten. Sie verlangen dabei nicht vom Chef, ihrer Meinung zu folgen, geben aber nichtsdestotrotz eine Richtung vor. Je mehr die Führungskraft den Mitarbeiter schätzt, desto eher wird sie sich solchen Input zu Herzen nehmen. Wie einfach es ist, den Chef zu steuern, hängt von dessen Persönlichkeit ab. Manche Vorgesetzte sind leicht zu beeinflussen, während es bei anderen deutlich schwieriger ist. Wenn der Chef von sich und seinen Kompetenzen sehr überzeugt ist und auf die Meinung anderer generell wenig gibt, ist Beharrlichkeit gefragt. Indem Beschäftigte bestimmte Anregungen – subtil – immer wieder geben, können sie langfristig häufig eine Veränderung bewirken.

Wer seinen Chef einschätzen kann, kann mehr erreichen

Wer seinen Vorgesetzten steuern möchte, sollte sich dessen positive Eigenschaften zunutze machen. Es bringt nichts, den Chef verändern zu wollen. Wer stattdessen mit dem arbeitet, was ihm zur Verfügung steht, kann mehr erreichen. Das heißt auch, dass es hilfreich ist, den Vorgesetzten möglichst gut zu kennen: Je besser Mitarbeiter ihren Chef einschätzen können, desto leichter können sie ihn steuern.

Cheffing sollte so zielgerichtet wie möglich erfolgen. Es ist deshalb wichtig, dass Beschäftigte sich überlegen, was sie erreichen möchten. Im nächsten Schritt können sie überlegen, wie ihnen das am besten gelingen kann. Es ist hilfreich, dem Vorgesetzten zu zeigen, was dieser von der Idee oder Anregung eines Mitarbeiters hat. Wenn die Vorteile davon auf der Hand liegen, ist es wahrscheinlicher, dass die Chefin oder der Chefin dem Hinweis folgt.

Nicht in jedem Fall findet Cheffing im Verborgenen statt. Manchmal ergibt sich ein offener Dialog mit der Führungskraft, die sich bereitwillig auf die Anregung von Mitarbeitern einlässt. Das ist am ehesten dann wahrscheinlich, wenn die Beschäftigten ohnehin partizipativ geführt werden und in ihrem Job viel Verantwortung übernehmen dürfen. Sie können dann auch gezielt dazu ermutigt werden, ihrem Vorgesetzten ehrliches Feedback zu geben.

Wo kann man mehr über Cheffing erfahren?

Gibt es Mängel in der Führung, kann Cheffing ein interessanter Ansatz sein. Wer das Konzept erfolgreich anwendet, kann die Rahmenbedingungen im Job für sich selbst und seine Kollegen zum Besseren verändern. Zugleich birgt Führung von unten jedoch auch Risiken, die Arbeitnehmer bedenken sollten, bevor sie ihren Chef gezielt beeinflussen. Deshalb ist es wichtig, sich eingehend mit den Möglichkeiten zu befassen, die Cheffing bieten kann, und den Wegen, auf denen es umgesetzt werden kann.

Wo kann man mehr über Führung von unten erfahren? Einerseits ist Lektüre hilfreich, etwa in Form von Blogposts. Du kannst dich auch in Foren informieren und dir Anregungen von anderen holen. Andererseits ist es hilfreich, wenn du dich mit Gleichgesinnten direkt austauschen kannst. Wer seinen Chef selbst schon erfolgreich von unten geführt hat, kann dir wahrscheinlich wertvolle Tipps geben.

Auch ein Austausch mit Kollegen, die dir sehr nahestehen und denen du vertrauen kannst, kann hilfreich sein. So könnt ihr euch zusammen eine Strategie überlegen, von der alle profitieren. Aber Vorsicht: Davon sollte nichts nach außen dringen. Es könnte sonst wirken, als wolltet ihr die Autorität des Chefs oder der Chefin untergraben. Sprich also nur mit Kollegen über die Angelegenheit, von denen du absolutes Stillschweigen erwarten kannst.

Fazit: Den Chef gezielt steuern mit Führung von unten

  • Gibt es Mängel in der Führung, stellt das Arbeitnehmer oft vor Probleme. Die Arbeit ist dann oft deutlich erschwert
  • In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Chef durch Führung von unten gezielt zu steuern
  • Beschäftigte können durch Cheffing auf positive Entwicklungen hinwirken, die ihnen, den Kollegen und dem Unternehmen insgesamt zugutekommen
  • Dazu können sich verschiedene Strategien eignen, die zur Situation und der Führungskraft passen müssen
  • Cheffing birgt gewisse Risiken: Es sorgt für eine Mehrbelastung und kann Schaden anrichten, wenn es auffällt

Bildnachweis: GaudiLab / Shutterstock.com

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