Das Dilbert-Prinzip: Aufstieg der Inkompetenz?

Werden immer ausgerechnet diejenigen befördert, die ihren Job am schlechtesten machen? Das Dilbert-Prinzip besagt genau das. Was hinter dem Konzept steckt, welche Annahmen ihm zugrunde liegen und ob es tatsächlich erklären kann, warum man Menschen beruflich aufsteigen und andere nicht – hier erfahren Sie es.

Ein roter Block wird auf schwarze Blöcke gesetzt, ein Symbolbild für das Dilbert-Prinzip

Was ist das Dilbert-Prinzip?

Das Dilbert-Prinzip ist ein Management-Konzept, das auf Scott Adams zurückgeht. Der US-amerikanische Autor und Comiczeichner ist mit seinen Dilbert-Comics bekannt geworden. Das Dilbert-Prinzip hat Adams erstmals im Jahr 1995 in einem Comic erwähnt. Ein Jahr später hat er das gleichnamige Buch veröffentlicht und das Dilbert-Prinzip darin näher erläutert.

Die Kernannahme des Dilbert-Prinzips ist, dass Firmen systematisch dazu neigen, inkompetente Mitarbeiter ins Management zu befördern – und zwar ganz bewusst, damit sie in anderen Positionen keinen Schaden anrichten können. Es werden also Mitarbeiter befördert, die nie als sonderlich kompetent wahrgenommen wurden. Es geht einfach darum, dass sie den Workflow dort nicht stören, wo dem Dilbert-Prinzip zufolge wirklich produktiv gearbeitet wird: auf untergeordneten Ebenen.

In einem Dilbert-Comic aus dem Jahr 1995 sagt Dogbert, einer der Charaktere des Comics: „Führung ist der Weg der Natur, um Idioten aus dem produktiven Flow zu entfernen.“ Adams selbst sagte dazu, dass es in vielen Fällen die am wenigsten kompetenten und am wenigsten intelligenten Menschen seien, die befördert würden – weil sie diejenigen seien, von denen man nicht wolle, dass sie die tatsächliche Arbeit verrichten. Damit geht Adams davon aus, dass viele Beschäftigte in hochrangigen Posten sich mit ihrer Arbeit weniger auf den Erfolg einer Firma auswirken als die vielen Arbeitnehmer auf niedrigeren Ebenen.

Beispiele: So könnte das Dilbert-Prinzip praktisch aussehen

Wie das Dilbert-Prinzip praktisch aussehen könnte, zeigen die folgenden (fiktiven) Beispiele:

  • Ein von sich überzeugter Journalist macht in seinen Texten immer wieder Fehler – er gibt Dinge falsch wieder, so dass der Ruf der Zeitung schon leidet. Man redet spöttisch über ihn, intern wie extern. Doch das merkt er gar nicht, und die Fehler, auf die er hingewiesen wird, scheinen ihn nicht sonderlich zu stören. Er wird dann in eine Leitungsfunktion befördert, wo er weniger eigene Texte schreibt. Dadurch kann er weniger falsche Informationen in die Zeitung bringen und stört die Kollegen nicht bei der Arbeit, die nun nicht mehr seine Fehler ausbügeln müssen.
  • Ein Mitarbeiter einer Verwaltung hält sich für sehr kompetent, ist aber nicht eben produktiv. Er braucht für alles ewig, so dass die Kollegen Extra-Arbeit haben, weil sie ihm unter die Arme greifen müssen, damit Aufgaben erledigt werden. Schließlich befördert man ihn, was den Workflow in seiner früheren Abteilung merklich verbessert und den Stress der Mitarbeiter dort verringert.
  • Der Mitarbeiter einer Bank hat in seinem Job ständig Kundenkontakt. Er ist aber nicht sonderlich freundlich und neigt zu Wutanfällen – selbst vor Kunden. Wie er sich gegenüber den Kunden verhält, schadet dem Ruf der Bank und hat schon zu vielen Beschwerden geführt. Also hebt man ihn auf einen höheren Posten, auf dem er mit Kunden nicht mehr viel zu tun hat.

Das Dilbert-Prinzip als Antwort auf das Peter-Prinzip: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Das Dilbert-Prinzip kann als satirische Antwort auf das Peter-Prinzip verstanden werden. Das Peter-Prinzip geht auf den US-amerikanischen Lehrer und Autor Laurence J. Peter zurück. Peter zufolge steigt jeder Beschäftigte bis zu seinem Level der Unfähigkeit auf. Er wird so lange befördert, bis er nicht mehr kompetent genug ist, um die nächste Stufe zu erreichen. Das führt dazu, dass irgendwann auf allen Posten inkompetente Beschäftigte sitzen.

Das Dilbert-Prinzip und das Peter-Prinzip haben viele Unterschiede, aber auch manche Gemeinsamkeiten. Anders als beim Peter-Prinzip, bei dem die Mitarbeiter wegen ihrer Kompetenz befördert werden, waren die beförderten Beschäftigten beim Dilbert-Prinzip nie kompetent. Scott Adams geht mit dem Dilbert-Prinzip außerdem davon aus, dass Menschen in höherrangigen Positionen ohnehin kaum eine Auswirkung auf die Produktivität in einem Unternehmen haben.

Es gibt jedoch auch ähnliche Ansätze beiden Konzepten. Bei beiden finden sich irgendwann auf höheren Ebenen nur noch inkompetente Leute. Lediglich die Umstände und Ursachen sind unterschiedlich. Laurence J. Peter beschreibt zudem in seinem Buch die „percussive sublimation“, auf Deutsch etwa „schlagende Sublimation“. Gemeint ist die Beförderung einer Person, um sie aus dem Weg zu bekommen. Genau das ist der Kern des Dilbert-Prinzips.

Inkompetente Führungskräfte: Was ist dran am Dilbert-Prinzip?

Das Buch, das Scott Adams über das Dilbert-Prinzip empfohlen hat, ist sogar in manchen Management- und Business-Programmen empfohlene Lektüre. Treffen die Annahmen von Adams also tatsächlich zu? Sicherlich hat der Autor sein Konzept bewusst überspitzt formuliert, so dass es zumindest teilweise durchaus als Satire verstanden werden kann. Einen wahren Kern hat das Dilbert-Prinzip aber nichtsdestotrotz: So mancher Arbeitnehmer hat sich schon öfter gefragt, wie sein Chef eigentlich auf seinen Posten gekommen ist. Tatsächlich fallen viele Führungskräfte durch Inkompetenz auf. Es mangelt ihnen entweder an Sachkenntnissen oder an den nötigen Führungsqualitäten – schlimmstenfalls auch beidem.

Inkompetenter Chef? Der Dunning-Kruger-Effekt könnte es erklären

Dass sich auf höheren Ebenen in Unternehmen oft auffällig viele Beschäftigte finden, an deren Kompetenz gezweifelt werden darf, ist kein Zufall. Das Phänomen kann durch den Dunning-Kruger-Effekt erklärt werden. Der psychologische Effekt ist nach den beiden Psychologen David Dunning und Justin Kruger benannt. Demzufolge neigen inkompetente Menschen dazu, sich zu überschätzen. Sie sind auch oft selbstbewusster als andere.

Das führt dazu, dass solche Menschen sich Dinge zutrauen, die andere sich nicht zutrauen. Sie scheuen sich dank ihres großen Selbstbewusstseins auch nicht, Werbung in eigener Sache zu machen. Und natürlich treten sie auch selbstbewusst auf – ein weiterer Karrierefaktor, denn viele Menschen assoziieren mit Selbstbewusstsein automatisch Kompetenz und Führungsstärke.

Umgekehrt erkennen solche Menschen nicht, dass sie inkompetent sind, wodurch sich an ihrer Inkompetenz auch später nichts ändert. Das hängt wohl auch mit dem Intelligenzquotienten zusammen: Manche inkompetenten Menschen sind nicht schlau genug, um zu erkennen, dass sie nicht schlau sind. Außerdem neigen sie dazu, die Fähigkeiten anderer Menschen zu unterschätzen, die ihnen in Wahrheit überlegen sind.

Das Fatale: Viele kompetente Menschen unterschätzen sich. Das führt dazu, dass sie sich für bestimmte Positionen gar nicht erst bewerben. Vielleicht sind sie auch in ihrer Persönlichkeit zurückhaltender, weshalb sie als weniger kompetent eingestuft werden, oder weniger gut darin als selbstbewusstere Beschäftigte, sich mit den richtigen Personen gutzustellen. Dadurch werden fähigere Menschen oft nicht befördert.

Inkompetenz in den höchsten Rängen

Ein prominentes Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Trump sagte öfter Sätze wie „Niemand weiß das besser als ich“ oder „Niemand weiß mehr über diese Sache als ich“ – auch in Bereichen, in denen man an seinem Wissen zweifeln darf. Er attestierte sich etwa mehr Wissen als alle anderen, wenn es um Infrastruktur, Technologie, Drohnen, Finanzen oder Steuern geht. Oder die Umwelt, Windmühlen, erneuerbare Energien und Facebook. Und Abwertung (der Währung)? Da, so Trump, sei er wohl der Einzige, der das wirklich verstehe. Trump: „Ich verstehe Dinge. Ich verstehe Dinge sehr gut. Besser als, denke ich, nahezu alle anderen.“

Auch im Arbeitsalltag haben viele Arbeitnehmer es schon erlebt: Der Chef, den man selbst für inkompetent hält, hält sich selbst für den Größten. Tatsächlich sind von Selbstüberschätzung wohl mehr Männer als Frauen betroffen. Laut dem Organisationspsychologen Tomas Chamorro-Premuzic haben Männer eher überzogene Vorstellungen vom eigenen Können. Dadurch sind sie in vielen Fällen optimal positioniert für eine steile Karriere: Wer von sich überzeugt ist, überzeugt auch eher andere. Viele lassen sich von dem selbstbewussten, oft kommunikationsstarken Auftritt solcher Menschen blenden.

Sitzen erstmal inkompetente Personen auf dem Chefsessel, kann sich der Effekt noch verstärken – und zwar durch soziale Homophilie. Soziale Homophilie beschreibt die Neigung von Menschen, Menschen mehr zu mögen, die ihnen ähnlicher sind, und mehr mit solchen Personen zu interagieren. Das kann dann zur Folge haben, dass selbstbewusste Männer eher selbstbewusste Männer einstellen oder befördern. Dadurch können die Effekte des Dilbert-Prinzips zusätzlich verstärkt werden.

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