Scheuklappen ablegen: Das Silodenken überwinden

Menschen neigen zu Grüppchenbildung, im Privatleben sowie im beruflichen Umfeld. Das kann im Job dazu führen, dass Arbeitsabläufe nicht optimal strukturiert werden. Denn begreifen sich einzelne Abteilungen als konkurrierende Einheiten, führt das häufig zu stockender Kommunikation und schlechteren Arbeitsergebnissen. In solchen Situationen entsteht das sogenannte Silodenken. Was die Folgen dieses Phänomens sein können und welche Mittel dagegen helfen, erfahren Sie hier.

Mehrere Menschen im Büro, wie lässt sich Silodenken überwinden?

Definition Silodenken: Was versteht man darunter?

Wenn Sie das Gefühl haben, dass bei Ihrem Arbeitgeber die verschiedenen Abteilungen mehr gegeneinander statt miteinander arbeiten, könnte der Grund darin liegen, dass die einzelnen Gruppen im Silodenken gefangen sind.

Der metaphorische Begriff „Silodenken“ soll diese Situation illustrieren. Das Team zieht nicht an einem Strang, sondern arbeitet voneinander isoliert in unterschiedlichen Silos. Ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl oder das Bedürfnis, an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten, um das beste Ergebnis für das Unternehmen zustande zu bringen, gibt es nicht. Stattdessen arbeitet jede Abteilung für sich und vor sich hin und ist bestrebt, vor der Führungsriege besonders positiv zu erscheinen.

Das Problem: Was für die jeweilige Abteilung vermeintlich positiv ist, muss noch lange nicht die beste Lösung für das Unternehmen sein. Im Gegenteil: Starkes Silodenken führt in vielen Fällen dazu, dass Innovationen ausbleiben – ein wirtschaftlicher Schaden für das Unternehmen kann die Folge sein.

Der Silo-Effekt ist ein Problem für das Unternehmen

Eine andere Bezeichnung für das Phänomen des Silodenkens ist der Begriff „Bereichsdenken“. Denn der Bereich, in dem man arbeitet, wird als der einzig relevante, die eigene Abteilung als die einzig kompetente betrachtet. Wer echtes Silodenken verinnerlicht hat, schreibt allen anderen Kollegen und Abteilungen zu, sie seien nicht nur inkompetent, sondern auch gar nicht an einer Lösung der Probleme interessiert.

Dieser Befund wird von einer Studie des Harvard Business Review gedeckt: In einer Befragung gaben 84 Prozent der Teilnehmer an, dass sie sich auf Führungskräfte oder ihre Kollegen aus der eigenen Abteilung verlassen können. Fragte man dieselben Personen jedoch, wie hoch sie die Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit der Kollegen in anderen Abteilungen einschätzen, fiel das Ergebnis ernüchternd aus: Lediglich 9 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie das Gefühl haben, sich bei Problemen auch auf die Mitarbeiter anderer Bereiche im Unternehmen verlassen zu können.

Diese Probleme verursacht das Silodenken

Dass das Denken in Silos nicht förderlich für den Unternehmenserfolg ist, dürfte einleuchten. Denn Silodenken endet nicht damit, dass wir Kollegen aus anderen Abteilungen nicht allzu viel zutrauen. Es führt auch dazu, dass sich statt einer echten Zusammenarbeit im Unternehmen eher ein Konkurrenzdenken entwickelt.

Das zeigt sich vor allem in wirtschaftlich angespannten Situationen. Angenommen das Unternehmen muss Kosten reduzieren, weil zum Beispiel infolge der Corona-Krise Absatzmärkte eingebrochen sind. In Unternehmen mit starkem Silodenken wird vermutlich jede Abteilung versuchen, nicht von den Kosteneinsparungen betroffen zu sein. Das ist auch nachvollziehbar, schließlich bedeuten Einsparungen häufig, dass Arbeitsplätze verlorengehen.

Insofern ist es nachvollziehbar, dass man sich innerhalb der Abteilung verbündet und versucht, andere Abteilungen schlechter dastehen zu lassen als die eigene. Schließlich möchte man seine Existenzgrundlage sichern.

Dass dies jedoch nicht unbedingt zum Wohl des gesamten Unternehmens sein muss, wird schnell deutlich. Unter Umständen ist am Ende diejenige Abteilung von höheren Einsparungen betroffen, die eigentlich den größten Anteil daran hat, dass das Unternehmen erfolgreich ist. Aber vielleicht verstehen es die Mitarbeiter dieser Abteilung einfach nicht so gut, Werbung für sich und die eigene Sache zu machen.

Das Ergebnis: Mitarbeiter, die im Konkurrenzkampf mehr Lärm machen und mehr Aufmerksamkeit bekommen, werden häufiger als Sieger vom Platz gehen. Verloren hat dann aber nicht nur die weniger marketingaffine Abteilung, sondern im Prinzip das gesamte Unternehmen.

Das ist der Worst Case, den Silodenken nach sich ziehen kann. Die Nachteile dieser Einstellung und Arbeitsweise zeigen sich jedoch früher:

  1. Mehr Arbeit: Denken in Silos bedeutet häufig, dass einzelne Abteilungen nicht richtig kommunizieren. So passiert es leicht, dass die gleiche Arbeit mehrmals gemacht wird. Denn fehlende oder falsche Abstimmung hat häufig zur Folge, dass man nicht weiß, wer welchen Schritt bearbeiten soll. Um trotzdem zu einem Ergebnis zu kommen, bearbeiten am Ende unterschiedliche Abteilungen die gleichen Arbeitsschritte. Mit echter Absprache würde das nicht passieren.
  2. Größerer Zeitverlust: Wenn Aufgaben doppelt bearbeitet werden, braucht es länger, bis Projekte fertiggestellt werden. Silodenken kann auch dazu führen, dass man anderen Abteilungen nicht mehr zutraut, dass sie überhaupt ein vernünftiges Ergebnis zustande bringen kann. So werden Arbeitsschritte und Fragen, die man in der eigenen Abteilung abhaken kann, zuerst erledigt – oft unabhängig davon, ob die Kollegen im benachbarten Silo darauf warten, dass man ihnen Zahlen liefert, mit denen sie weiterarbeiten können.
  3. Kaum Innovation: Ohne echte Kooperation gibt es nur selten innovative Denkanstöße. In Unternehmen mit ausgeprägtem Silodenken arbeiten die Beschäftigten nach Schema F und machen Dinge so, wie sie sie immer schon gemacht haben. Ideen aus anderen Abteilungen werden nicht zur Kenntnis genommen oder absichtlich überhört. Neue Herangehensweisen oder echte Innovationen versanden.
  4. Schlechtes Betriebsklima: In Unternehmen, in denen einzelne Abteilungen gegen- und nicht miteinander arbeiten, ist das Klima oft angespannt. Der Umgang im Unternehmen ist eher von Respektlosigkeit und mangelnder Wertschätzung geprägt. Wer davon überzeugt ist, dass die anderen Kollegen inkompetent sind und dem eigenen Erfolg im Weg stehen, ist weniger offen für einen freundlichen, sachlichen Austausch.

Silodenken aufbrechen: So legt man die Scheuklappen ab

Silodenken ist letztlich eine Gefahr für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und damit auch eine Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz. Das sollte man sich als Arbeitnehmer vor Augen führen, wenn man versucht ist, den Kollegen aus Abteilung XY absichtlich auszubremsen.

Ein Silodenken aufzubrechen sollte also im Interesse des Unternehmers und des Arbeitnehmers liegen. Und dass beide Seiten gemeinsam daran arbeiten, Silodenken zu überwinden, ist sinnvoll, denn so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Silo-Effekt überwunden werden kann. Folgende Schritte können dazu beitragen, das Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen zu fördern und das Denken in Silos zu überwinden:

  1. Andere Perspektive einnehmen: In einigen digital geprägten Unternehmen und Start-ups, in denen viele Beschäftigten ähnliche Jobs haben, bietet sich die sogenannte Jobrotation an. Dabei lernen die Mitarbeiter einer Abteilung in regelmäßigen Abständen die Arbeit anderer Beschäftigter kennen – und zwar indem sie die Arbeit ihrer Kollegen für einige Tage oder gar Wochen selbst übernehmen. Das soll es ermöglichen, dass Mitarbeiter verschiedene Aufgabengebiete und Tätigkeitsfelder aus eigener Anschauung kennenlernen. Im besten Fall legen Beschäftigte so Vorurteile ab und erkennen an, was Kollegen aus anderen Abteilungen täglich leisten. Jobrotation kann aber auch dazu beitragen, den Zusammenhalt im Team zu stärken. Dadurch dass die Teams wechseln, entstehen neue Freundschaften. Ein Fortschritt für das Betriebsklima.
  2. Fokus auf das Unternehmen richten: Manchen Beschäftigten ist vermutlich nicht klar, dass ihr Verhalten dem Unternehmen schaden kann. Wer seine eigene Abteilung besser präsentiert, als sie wirklich ist, um seinen eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden, möchte das Unternehmen zwar nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Er möchte wohl einfach nur seinen Arbeitsplatz sichern. Die Aufgabe der Firmenleitung muss aber darin liegen, dieses Silodenken zu überwinden und den Mitarbeitern klarzumachen, dass dieses Verhalten ihnen letztlich selbst schadet. Wenn es gelingt, den Fokus darauf zu legen, dass das Ziel der täglichen Arbeit der Erfolg des Unternehmens ist, kann man Silodenken in vielen Fällen zumindest ein wenig zurückdrängen.
  3. Bonussystem überdenken: Wenn das Silodenken im Unternehmen überhandnimmt, sollte man Boni und Incentives überdenken. Unter Umständen wird ein abteilungszentriertes Denken gerade dadurch gefördert, dass es entsprechende Belohnungen gibt. Wenn Boni nur dann gezahlt werden, wenn die jeweilige Abteilung besser performt als andere, kurbelt man nicht nur den produktiven Wettbewerb zwischen den Abteilungen an. In einigen Fällen fördert man unbeabsichtigt auch, dass sich die Abteilungen untereinander duellieren und nicht kooperieren – schließlich kann nur eine Abteilung gewinnen und den größten Bonus erzielen.

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