Orchideenfächer: Von der Leidenschaft zum Beruf

Es gibt seltene Studiengänge, für die sich jedes Semester nur eine begrenzte Zahl an Studentinnen und Studenten einschreiben. Landläufig ist dann auch von Orchideenfächern die Rede. Welche Chancen Orchideenfächer-Studiengänge bieten können, ob man mit einem Orchideenfächer-Studium Karriere machen kann und was bei der Entscheidung für einen Studiengang wichtig ist – hier erfahren Sie mehr.

Was sind Orchideenfächer?

BWL, Informatik, Rechtswissenschaft – das waren im Wintersemester 2023/2024 die beliebtesten Studiengänge in Deutschland, gemessen an der Anzahl der Studierenden. Ähnlich beliebt sind Studienfächer wie Psychologie, Medizin, Wirtschaftswissenschaften, Soziale Arbeit oder Maschinenbau. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich Orchideenfächer. Das sind hochspezialisierte Studienfächer, für die sich besonders wenige junge Menschen entscheiden. Sie gelten deshalb als exotische Studiengänge.

Diese unvollständige Orchideenfächer-Liste zeigt, welche Beispiele es für solche seltenen Studiengänge geben kann:

• Tibetologie (Studium der Sprache, Geschichte und Religion von Tibet)
• Sorabistik (Studium der sorbischen Sprache, Kultur und Literatur)
• Marine Geotechnologie (Studium, bei dem es um die Erforschung des Meeresbodens geht)
• Indologie (Studium der indischen Sprachen, Kultur und Literatur)
• Altamerikanistik (Studium der indigenen Kulturen in Amerika)
• Paläontologie (Studium, in dem es um fossile Lebewesen, prähistorische Pflanzen und Dinosaurier geht)
• Keltologie (Studium der keltischen Sprachen, Kulturen und Geschichte)
• Koptologie (Studium der koptischen Sprache und Kultur)
• Holztechnik (Studium, bei dem es um Technologien zur Holzverarbeitung geht)
• Brauwesen und Getränketechnologie (Studium der Bier- und Getränkeherstellung)

Besonders häufig sind Orchideenfächer in den Geistes- und Kulturwissenschaften angesiedelt. Die wirtschaftliche Bedeutung solcher Studiengänge ist vergleichsweise gering, was die niedrige Zahl der Einschreibungen erklärt. Schlechter als andere Studienfächer sind Orchideenfächer aber deshalb nicht – entscheidend ist, welche berufliche Tätigkeit jemand anstrebt.

Exotische Studiengänge: Warum sie sich lohnen können

Wer darüber nachdenkt, ein Orchideenfach zu wählen, ist oft verunsichert: Soll ich wirklich etwas studieren, was so spezialisiert ist? Zwar können Orchideenfächer tatsächlich Nachteile mit sich bringen, die die spätere Jobsuche erschweren können, weil die Auswahl an möglichen Stellen oft geringer ist. Dennoch kann es sich lohnen, sich für einen außergewöhnlichen Studiengang zu entscheiden.

Orchideenfächer repräsentieren eine eng umrissene Nische. Wer ein solches Fach studiert, eignet sich dabei zwar kein übergeordnetes, breites Wissen an. In dem betreffenden Bereich aber wird er zum Experten. Das sorgt für ausgezeichnete Chancen bei Bewerbungen für Jobs, die genauso spezialisiert sind – zum Beispiel bei NGOs, internationalen Organisationen oder im Journalismus. Viele Orchideenfächer sind interdisziplinär angelegt – die Schnittstellen zu anderen Thematiken sind oft groß. Dadurch erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten nach dem Studium.

Wer ein Orchideenfach studiert, tut das meist, weil sein Interesse am Thema sehr groß ist. Diese Leidenschaft auszuleben, kann sehr befriedigend sein und dafür sorgen, dass das Studium mehr Spaß macht. Es kann dadurch auch leichter sein, für Klausuren zu lernen und gute Noten zu erwerben. Außerdem lernen Studierende Gleichgesinnte kennen, die sich für ähnliche Themen begeistern können wie sie selbst – das kann für wertvolle soziale Kontakte sorgen, die später auch im Beruf hilfreich sein können.

Durch kleine Studiengänge ergeben sich kleine Studiengruppen. Das macht es besonders für introvertierte Studierendeleichter, Anschluss zu finden. Zugleich ist der Kontakt zu Professoren und Dozenten oft enger, was das Lernen persönlicher und individueller gestalten kann.

Ein Orchideenfach zu studieren, ist nicht zuletzt eine Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern und, je nach Fach, historische Zusammenhänge besser zu verstehen. Seltene Studiengänge helfen dabei, das kulturelle Erbe zu bewahren.

Welche beruflichen Perspektiven bietet ein Orchideenfach?

Gegen ein Orchideenfach spricht für viele junge Menschen die starke Spezialisierung, die damit einhergeht. Klassische Berufe sind damit häufig nicht zugänglich. Dennoch gibt es oft vielseitige Möglichkeiten, in interdisziplinären Bereichen beruflich Fuß zu fassen.

Wer einen seltenen Studiengang gewählt hat, kann zum Beispiel im Bereich Forschung und Lehre arbeiten. Er kann an der Uni bleiben oder eine andere Forschungseinrichtung wählen, in einem Archiv tätig werden oder in einem Museum arbeiten. Auch Institute und die Denkmalpflege können potenzielle Einsatzfelder sein. Als Organisation kann zum Beispiel die UNESCO infrage kommen, wo es um den Erhalt des Kulturerbes geht.

Ein weiterer möglicher Bereich ist die Kultur- und Medienbranche. Das betrifft nicht nur die schon erwähnten Museen und kulturellen Institute, sondern auch den Journalismus, PR und eine Tätigkeit als Autor für Fachbücher. Wer ein Orchideenfach studiert hat, kann auch Filme machen oder in Verlagen arbeiten.

Je nach Orchideenfach kommt auch eine Tätigkeit als Übersetzer für alte Sprachen infrage. Auch Sprachberatung ist eine Option. Ebenso kann Diplomatie eine Möglichkeit darstellen: Mit einem passenden Studiengang kann die Mitarbeit in einer Botschaft infrage kommen. Politische Beratung ist ebenfalls denkbar.

Ein weiteres mögliches Berufsfeld ist der Tourismus: Absolventen können sich für eine Tätigkeit als Tourguide eignen, etwa für Urlaube oder Stadtführungen. Auch Unternehmensberatung kann ein Einsatzbereich für Absolventen von Orchideenfächern sein. Nicht zuletzt ist mit der nötigen Anpassungsfähigkeit und übergeordneten Kompetenzen – auch in Form von Soft Skills – häufig ein Quereinstieg in anderen Branchen möglich.

Außergewöhnliche Studiengänge: Chancen und Herausforderungen

Sich für ein Orchideenfach zu entscheiden, kann mit interessanten Chancen verbunden sein, aber auch Risiken und Nachteile mit sich bringen. Hier finden Sie die wichtigsten Pro- und Kontra-Argumente im Überblick.

Chancen eines Orchideenfachs

• Tiefgehendes Wissen in einer Nische sorgt dafür, dass die Chancen von Absolventen bei Jobs, bei denen genau diese Expertise gefragt ist, oft sehr gut sind – ein Vorteil gegenüber Mitbewerbern.
• Beim Studium eines Orchideenfachs können sich Studierende selbst verwirklichen. Es kann für große Freude sorgen, sich ganz in ein Thema zu vertiefen, das den Studenten wirklich am Herzen liegt.
• Die Betreuung während des Studiums ist oft besonders gut, weil es so wenige Studierende gibt. Dadurch ist auch eine individuelle Förderung eher möglich.
• Durch die Überschneidung mit anderen Feldern ist die Jobsuche oft gar nicht so begrenzt, wie man vielleicht meinen könnte.
• Einen außergewöhnlichen Studiengang gewählt zu haben, zeugt davon, dass jemand genau weiß, was er will – das kommt bei der Jobsuche generell gut an.

Mögliche Risiken und Herausforderungen von Orchideenfächern

• Die Spezialisierung auf eine Nische kann die Chancen bei der Jobsuche einschränken: Die Zahl der passenden Stellenanzeigen ist womöglich überschaubar.
• Besonders schwierig kann die Jobsuche sein, wenn jemand örtlich gebunden und deshalb nicht bereit zu einem Umzug ist. Vor allem in kleineren Städten kann es oft mau aussehen.
• Die Gehaltsaussichten können schlechter als bei anderen Studienfächern sein: Im öffentlichen Bereich, in Museen oder der Wissenschaft sind die Gehälter oft geringer als in der freien Wirtschaft.
• Auch die Abhängigkeit von Fördermitteln in Wissenschaft und Forschung kann für finanzielle Unsicherheit – und Frust – sorgen.
• Es könnte sein, dass bestimmte Orchideenfächer künftig noch unbedeutender sein werden, was mit entsprechend schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt einhergeht.

Tipps, um das passende Orchideenfach zu finden

Ein Orchideenfach studieren? Das sollten Sie sich gut überlegen. Es kann sehr lohnenswert sein, sich für einen außergewöhnlichen Studiengang zu entscheiden, aber ein solches Studium bringt auch Risiken mit sich. Diese sollten Sie im Blick haben, um eine nachhaltige Entscheidung treffen zu können.

Wägen Sie Vor- und Nachteile im Einzelfall gegeneinander ab, um den Weg zu finden, der für Sie richtig ist. Es kommt dabei auch auf Ihre Persönlichkeit an – zum Beispiel darauf, wie flexibel Sie sind und wie wichtig es Ihnen ist, einen vorgezeichneten Karrierepfad mit klaren Optionen zu haben, dem Sie folgen können.

Wenn die Entscheidung für einen seltenen Studiengang steht, gilt es, das richtige Angebot zu finden. Wie findet man ein passendes Orchideenfach? Diese Aspekte sind elementar:

• Ihre Interessen: Was interessiert Sie am meisten? Über welche Aspekte möchten Sie im Rahmen eines Studiums mehr erfahren? Womit möchten Sie sich nach dem Studium beruflich befassen?
• Ihre Stärken: Was können Sie besonders gut? Was zeichnet Sie aus? Auf welche Studiengänge können Ihre persönlichen Stärken hindeuten? Wofür eignen Sie sich möglicherweise weniger?
• Die Aussichten am Arbeitsmarkt sind womöglich nicht ausschlaggebend für Sie, aber Sie sollten sie zumindest berücksichtigen. Überlegen Sie sich, in welchem Bereich Sie ganz konkret arbeiten könnten. Klingt das attraktiv für Sie?

Es kann eine gute Idee sein, in einen möglichen künftigen Beruf erst einmal unverbindlich hineinzuschnuppern. Das ist vor jeder grundlegenden beruflichen Entscheidung ratsam, gilt aber vor der Aufnahme eines Orchideenfach-Studiums in besonderem Maße, da die beruflichen Möglichkeiten bei außergewöhnlichen Studienfächern häufig limitiert sind. Wenn die Option dazu besteht, kann ein Praktikum lohnenswert sein. Dabei können Sie nicht nur überprüfen, ob ein möglicher Beruf wirklich zu Ihnen passt. Sie können sich auch bei Ihren Kolleginnen und Vorgesetzten erkundigen, ob das Orchideenfach, das Ihnen vorschwebt, der richtige Weg in diesen Beruf sein könnte.

Vergleichen Sie Ihre Optionen im Detail

Es kommt nicht nur darauf an, welches Orchideenfach Sie wählen, sondern auch, wie gut die Qualität des Studiengangs an der betreffenden Hochschule ist. Manchmal haben Sie keine große Auswahl – wenn ein Fach nur an einer oder zwei Hochschulen angeboten wird, ist das Angebot limitiert.

In anderen Fällen sind Ihre Möglichkeiten vielseitiger. Dann ist maßgeblich, wie gut die Qualität der Lehre ist, wie gut Studierende betreut werden und welchen Ruf Uni und Fakultät haben.

Es lohnt sich in solchen Fällen, Studiengänge im Detail miteinander zu vergleichen. Informieren Sie sich auf der Webseite der Hochschule und anderen Portalen im Internet. Auch Foren für Studierende können hilfreich sein. Mehr über einen bestimmten Studiengang können Sie auch im Rahmen der Studienberatung der betreffenden Hochschule in Erfahrung bringen.  

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