Gewalt am Arbeitsplatz: Wo sie anfängt und Sie handeln sollten

Untersuchungen zeigen, dass immer mehr Beschäftigte von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen sind. Dabei bedeutet Gewalt am Arbeitsplatz nicht zwingend, dass der Arbeitnehmer körperlich bedroht oder gar verletzt wird. Auch herabsetzende Äußerungen können als Gewalt gelten. Lesen Sie hier, welche Kriterien bei Gewalt am Arbeitsplatz eine Rolle spielen und wie sich betroffene Arbeitnehmer verhalten sollten.

Ein Mann packt einer Frau an den Arm, was tun bei Gewalt am Arbeitsplatz?

Gewalt am Arbeitsplatz: Was versteht man darunter?

Immer wieder liest man davon, dass Rettungskräfte bei ihren Einsätzen behindert und in manchen Fällen sogar körperlich angegriffen wurden. Auch der Fall zweier Polizisten, die während ihres Dienstes von einem mutmaßlichen Wilderer erschossen wurden, ging durch die Presse. Ohne Frage sind dies Fälle von Gewalt am Arbeitsplatz, sogar sehr extreme Formen. Es muss aber gar nicht um Leben und Tod oder die eigene körperliche Unversehrtheit gehen, damit man von Gewalt am Arbeitsplatz sprechen kann.

Im Bereich des Arbeitsschutzes orientiert man sich an der Definition der International Labour Organization (ILO). Darin heißt es, dass man Gewalt am Arbeitsplatz an folgenden Kriterien erkennt: Gewalttätiges Verhalten am Arbeitsplatz äußert sich durch „eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung, gleich ob es sich um ein einmaliges oder ein wiederholtes Vorkommnis handelt, die auf physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen, diese zur Folge haben oder wahrscheinlich zur Folge haben, und umfasst auch geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung“.

Gewalt am Arbeitsplatz muss nicht zwingend körperlich sein

Diese Definition zeigt, dass Gewalt nicht immer körperlicher Natur ist. Auch ein Verhalten, das auf den psychischen Schaden des Mitarbeiters abzielt, ist als Gewalt am Arbeitsplatz zu betrachten. Mitarbeitern, die beschimpft oder beleidigt werden oder die vielleicht sogar mit Mobbing am Arbeitsplatz konfrontiert werden, widerfährt ebenfalls Gewalt.

In der Definition der ILO heißt es an anderer Stelle, dass man unter Gewalt am Arbeitsplatz „jede Handlung, jeden Vorfall und jedes unangemessene Verhalten [versteht], bei dem eine Person während oder im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Arbeit tätlich angegriffen, bedroht, geschädigt oder verletzt wird“.

Gewalt am Arbeitsplatz kann sich auf diese Weise zeigen:

  1. Physische Gewalt am Arbeitsplatz: Wenn Rettungskräfte während ihres Einsatzes tätlich angegriffen werden, ist das eine Form von körperlicher Gewalt. Auch ein Schubsen oder absichtliches Anrempeln können dazu gehören.
  2. Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Beleidigungen, Beschimpfungen oder Herabsetzungen des Mitarbeiters durch Vorgesetzte, Kollegen, Kunden, Lieferanten oder andere Personen.
  3. Vandalistische Gewalt am Arbeitsplatz: Diese Form der Gewalt am Arbeitsplatz richtet sich gegen Gegenstände. Man spricht von vandalistischer Gewalt, wenn zum Beispiel die Arbeitsgeräte des betreffenden Mitarbeiters zerstört werden.

Hinzu kommt, dass man bei dem Thema zwischen einer Bedrohung von innen und Bedrohungen von außen unterscheiden muss. Bei der internen Gewalt geht die Bedrohung von Kollegen, Vorgesetzten oder anderen aus, die im gleichen Unternehmen arbeiten. Bei der externen Gewalt dagegen sind Personen, die nicht zur Belegschaft gehören, für die Bedrohung des Mitarbeiters verantwortlich.

Bedrohung am Arbeitsplatz: Wer ist betroffen?

Gerade juristisch betrachtet ist es nicht leicht, eine verbindliche Aussage darüber zu treffen, welche Personen von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen sind. Statistiken der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DuGV) zeigen, dass folgende Berufsgruppen am häufigsten und stärksten von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen sind:

  • Mitarbeiter in der Pflege
  • Mitarbeiter im Rettungsdienst
  • Mitarbeiter im stationären Einzelhandel
  • Erzieher in Kitas und andere Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen
  • Mitarbeiter von Energieunternehmen, die den Anschluss sperren
  • Personen, die Online-Foren oder Communitys managen
  • Fahrscheinkontrolleure im ÖPNV und Fernverkehr
  • Lehrer an öffentlichen Schulen und andere Lehrkräfte

(Quelle: dugv.de)

Auch Hausmeister bzw. Hausverwalter oder Mitarbeiter in der Gastronomie und Hotellerie müssen häufig Beleidigungen oder gar Tätlichkeiten und Bedrohungen über sich ergehen lassen.

Grundsätzlich kann man wohl sagen, dass es kaum einen Arbeitsplatz gibt, an dem man sich als Mitarbeiter nicht vor Gewalt fürchten müsste. Auch ohne Kundenkontakt oder Berührungspunkte mit anderen externen Personen besteht die Gefahr, dass sich interne Mitarbeiter gewalttätig verhalten.

Bedrohungen und Gewalt am Arbeitsplatz verhindern

Arbeitgeber müssen dafür Sorge tragen, dass ihr Mitarbeiter nicht mit Gewalt am Arbeitsplatz konfrontiert werden. Zum einen haben sie eine Sorgfaltspflicht ihren Mitarbeitern gegenüber. Dazu gehört, dass Beschäftigte vor Gefahren geschützt werden müssen.

Außerdem werden Beschäftigte das Unternehmen wohl zügig verlassen, wenn sie während ihrer Arbeitszeit von Bedrohungen oder Gewalt betroffen sind. Da aktuell viele Arbeitgeber auf der Suche nach Personal sind, wäre es ein denkbar schlechter Schachzug, schulterzuckend hinzunehmen, dass die eigenen Mitarbeiter von schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind.

Mit anderen Worten: Arbeitgeber sind gut beraten, frühzeitig etwas dagegen zu unternehmen, wenn ihre Mitarbeiter von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen sind.

Das STOP-Prinzip gegen Gewalt am Arbeitsplatz

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung gibt auf ihrer Internetseite Tipps, was Arbeitgeber tun können, um Arbeitnehmer vor Gewalt am Arbeitsplatz zu schützen. Empfohlen wird etwa das sogenannte STOP-Prinzip – ein Konzept, das zu einer gewaltfreien Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter beitragen soll.

Der Begriff ist ein Akronym, das sich aus diesen Bestandteilen zusammensetzt:

  1. S = Substitution, substituierende Maßnahmen: Zunächst werden mögliche Quellen für Bedrohungen und Gefahren am Arbeitsplatz identifiziert. Sind diese ausfindig gemacht, versucht man, sie zu ersetzen. Sind Mitarbeiter von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen, weil sie allein arbeiten und daher leichter Opfer von Angriffen werden, kann man diesen Mitarbeitern einen Kollegen zur Seite stellen.
  2. T = Technische, bauliche Veränderungen: Ein alleinarbeitender Mitarbeiter kann nicht nur durch die Anwesenheit anderer Mitarbeiter, sondern auch durch bauliche oder technische Veränderungen vor Bedrohungen geschützt werden. Wer abends allein an einer Tankstelle arbeiten muss, kann zum Beispiel die Tür zum Verkaufsraum schließen und die Kunden durch ein Verkaufsfenster bedienen. Der Zutritt zum Verkaufsraum bleibt dann verschlossen, was die Sicherheit für den Mitarbeiter erhöht. Entscheidet sich der Arbeitgeber außerdem für bruch- und schusssicheres Glas, wird der Mitarbeiter durch diese bauliche Maßnahme zusätzlich vor Gewalt geschützt.
  3. O = Organisation, organisatorische Maßnahmen: Auch entsprechend strukturierte Arbeitsabläufe können dazu beitragen, Mitarbeiter vor Gewalt am Arbeitsplatz zu schützen. Im Beispiel unseres Tankstellenmitarbeiters könnte eine organisatorische Maßnahme sein, die Kasse regelmäßig zu leeren. So befindet sich wenig Bargeld in der Tankstelle– das macht die Tankstelle weniger attraktiv für Kriminelle.
  4. P = Personenbezogene Veränderungen: Der Arbeitgeber kann seinen Beschäftigten Schulungen oder Weiterbildungen anbieten, die für das Thema Gewalt am Arbeitsplatz sensibilisieren. In manchen Branchen ist der Ton rauer als in anderen. Gut möglich, dass es manchen Mitarbeitern gar nicht bewusst ist, dass sie andere Kollegen durch ihre Äußerungen verletzten könnten. Durch Coaching oder Schulungen, in denen explizit auf diese Problematik eingegangen wird, kann das Bewusstsein dafür geschärft werden. Damit verhindert der Arbeitgeber im Idealfall, dass sich einzelne Mitarbeiter beleidigt, ausgegrenzt oder gar gemobbt fühlen.

Bei Gewalt am Arbeitsplatz aktiv werden

Die DUGV weist darauf hin, dass Arbeitnehmer bei Gewalt am Arbeitsplatz unbedingt aktiv werden sollten. Erleiden die Beschäftigten durch die Gewalt Verletzungen, kann die Unfallkasse nur dann aktiv werden, wenn der Vorfall als Arbeitsunfall gemeldet wurde.

Das gilt vor allem für solche Vorkommnisse, die zunächst nicht als echter Arbeitsunfall angesehen werden. Mobbing und andere Formen psychischer Gewalt können Langzeitfolgen haben. Die Unfallversicherung ist nur dann verantwortlich, wenn der Arbeitsunfall oder die Vorkommnisse am Arbeitsplatz gemeldet wurden. Arbeitnehmer sind daher gut beraten, zu einem Betriebsarzt oder Unfallmediziner zu gehen und die körperlichen Auswirkungen der Gewalt dokumentieren zu lassen.

Bildnachweis: Ground Picture / Shutterstock.com

Nach oben scrollen