Kompromiss eingehen: Häufig schwerer als gedacht

Immer nur den eigenen Willen durchsetzen? Das wäre aus Sicht vieler Menschen zwar wünschenswert, ist aber nicht realistisch. Im Job und im Privatleben muss man immer wieder Kompromisse eingehen. Wie findet man Kompromisse, mit denen alle Beteiligten leben können? Woran erkennt man einen faulen Kompromiss und wie weit sollte die Kompromissbereitschaft gehen? Darum geht es in diesem Artikel.

Mehrere Menschen diskutieren bei einem Arbeitstreffen, sie müssen einen Kompromiss eingehen

Kompromiss Bedeutung: Was ist ein Kompromiss?

Als „Übereinkunft durch gegenseitige Zugeständnisse“ definiert der Duden den Kompromiss. Zu einem Kompromiss kann es kommen, wenn sich mehrere Personen über eine bestimmte Sache verständigen müssen und dabei unterschiedliche Ansichten haben. Wenn sie nun einen Kompromiss schließen, einigen sie sich in der Mitte.

Dabei rücken beide Seiten von ihren eigentlichen Forderungen und Wünschen ab. Niemand bekommt also exakt das, was er sich gewünscht hat. Die Vorteile, die für die beteiligten Personen mit dem Kompromiss verbunden sind, überwiegen dann jedoch diesen Nachteil.

Kompromisse können nötig sein, wenn es darum geht, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Nicht immer ist es essenziell, einen Kompromiss zu schließen, die Betroffenen tun es aber trotzdem, weil ihnen die Beziehung zur jeweils anderen Person wichtig ist. Das ist zum Beispiel in Beziehungen, Freundschaften und innerhalb der Familie häufig der Fall.

Kompromisse zu schließen setzt Kompromissfähigkeit voraus. Das bedeutet, dass die Beteiligten dazu bereit sein müssen, bestimmte Forderungen aufzugeben, um sich mit der anderen Person zu einigen. Beharrt jemand hingegen auf seinen Vorstellungen und gibt diesbezüglich nicht nach, ist auch kein Kompromiss möglich.

Gute und schlechte Kompromisse

Kompromisse haben einen guten Ruf, und tatsächlich können sie den Beteiligten viele Vorteile bieten – in der Sache, aber auch im Hinblick auf die Beziehung zueinander. Trotzdem ist nicht jeder Kompromiss automatisch ein guter Kompromiss. Im Gegenteil: Es gibt auch faule Kompromisse, von denen mindestens ein Beteiligter eigentlich gar nichts hat. Woran kann man feststellen, ob es sich um einen guten oder schlechten Kompromiss handelt?

Ein guter Kompromiss ist eine Übereinkunft, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Sie können gut mit dem Vereinbarten leben und empfinden den Kompromiss als fair. Der Kompromiss bringt alle Beteiligten weiter und niemand verliert sein Gesicht, wenn er von seinen ursprünglichen Forderungen abrückt.

Ein Beispiel für einen guten Kompromiss: Ein Paar plant einen Urlaub und muss entscheiden, wohin es gehen soll. Beide machen eine Liste ihrer Top-Urlaubsziele. Auf das jeweilige absolute Wunschziel können sie sich nicht einigen. Auf den vorderen Plätzen der Listen findet sich aber ein identisches Ziel, wofür sie sich dann entscheiden. Beide sind glücklich mit der Wahl des Urlaubsziels, weil sie keine allzu großen Abstriche machen mussten.

Wann ist ein Kompromiss ein fauler Kompromiss?

Auf der anderen Seite kann ein Kompromiss auch ein fauler Kompromiss sein. Das ist der Fall, wenn eine Seite dadurch stärker benachteiligt wird als die andere, oder der Kompromiss nicht zielführend ist, man dadurch also eigentlich nichts erreicht hat. In der Regel bemerkt die benachteiligte Person bei einem faulen Kompromiss nicht in vollem Maße, dass sie bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen wurde. Der Verhandlungspartner hat sich womöglich in Wahrheit kaum von seiner Ausgangsposition fortbewegt, verkauft die Übereinkunft aber als Kompromiss – und die andere Person glaubt an dieses Narrativ.

Manche schlechten Kompromisse sind eigentlich gar keine Kompromisse, sondern Opfer. Manchmal hat man scheinbar einen Kompromiss geschlossen, aber tatsächlich hat eine Seite einfach nachgegeben. Das mag die Situation kurzfristig verbessern, auf Dauer sorgen solche „Kompromisse“ aber meist für Frust und Unmut bei der nachgebenden Person. Dadurch können solche Übereinkünfte der Beziehung am Ende mehr schaden als nützen.

Ein Beispiel für einen schlechten Kompromiss: Ein Paar macht Urlaubspläne. Sie möchte ans Meer, er einen Städtetrip machen. Er setzt sich durch und verspricht, einen der nächsten Urlaube ans Meer zu machen. Beide wissen, dass das ebenso gut nie passieren könnte – und sie ist gefrustet, dass sie über das Urlaubsziel nicht mitbestimmen konnte.

Kompromisse finden: Wie geht es?

Kompromisse sind an vielen Stellen im Alltag notwendig. Es geht eben nicht immer so, wie wir es uns vorgestellt haben – oder es wäre für andere eine zu große Belastung, wenn man den eigenen Willen durchsetzen würde, so dass man einen Kompromiss eingeht. Oft ist das aber gar nicht so leicht. Besonders, wenn die Interessen gegensätzlich sind, kann es sehr schwierig oder sogar unmöglich sein, sich in der Mitte zu treffen.

Ob es gelingt, einen Kompromiss zu schließen, der für alle Beteiligten tragfähig ist, hängt auch vom Vorgehen ab. Was ist wichtig, wenn man einen Kompromiss finden möchte, mit dem alle gut leben können?

Unterschiedliche Positionen austauschen

Entscheidend ist, dass die Beteiligten ihre Sichtweisen, Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche offen austauschen. Überlegen Sie sich also vorher, was Ihnen besonders wichtig ist, wovon Sie abrücken können und wovon nicht, und kommunizieren Sie das transparent und selbstbewusst. Hören Sie aber auch der anderen Person gut zu, wenn sie ihrerseits ihre Vorstellungen und Erwartungen darlegt.

Versuchen Sie, nachzuvollziehen, was der anderen Person besonders wichtig ist und welche Interessen sie hat. Es kann hilfreich sein, Ihr Verständnis von der Position des anderen zusammenzufassen („Verstehe ich dich richtig, dass du dir wünschst…“), um Missverständnisse zu vermeiden.

Nun gleichen Sie Ihre Haltungen mit der der anderen Person ab. Wo gibt es Überschneidungen? Was passt gar nicht zusammen? Und wo wäre es möglich, sich aufeinander zuzubewegen? Mit welchen Kompromissen könnten Sie leben, womit (mutmaßlich) die andere Person?

Im nächsten Schritt geht es darum, einen für alle Beteiligten tragfähigen Kompromissvorschlag einzubringen. Schauen Sie, wie der andere reagiert: Lässt er sich auf Ihren Vorschlag ein oder geht der Vorschlag aus seiner Sicht zu weit? Wenn der Kompromiss abgelehnt wird, fragen Sie Ihr Gegenüber, was aus seiner Sicht die bessere Lösung wäre. Nun sind wieder Sie am Zug: Können und wollen Sie mit dem Vorschlag leben, oder besteht noch Anpassungsbedarf?

Ist der Kompromiss zielführend und fair für alle?

Bevor Sie sich auf einen Kompromiss einigen, sollten Sie sicher sein, dass alle Beteiligten damit zufrieden sind. Der Kompromiss sollte für alle Seiten fair und zugleich zielführend sein. Der beste Kompromiss nützt Ihnen nichts, wenn Sie damit nicht das erreichen, was Sie erreichen wollten.

Wie gut die Verhandlungen um einen Kompromiss laufen, hängt nicht nur davon ab, welche Positionen die Beteiligten jeweils haben. Es kommt auch auf die Gesprächsatmosphäre und den Ton an. Seien Sie freundlich und offen für Vorschläge, bleiben Sie sachlich und hegen Sie keine Vorurteile. Entscheidend ist auch die Einstellung, mit der Sie (und Ihre Verhandlungspartner) an die Sache herangehen: Es sollte Ihnen darum gehen, sich mit den anderen Personen auf eine gemeinsame Lösung zu einigen, und nicht, Ihre Vorstellungen still und heimlich doch durchzuboxen.

Kompromisse schließen: Häufige Stolpersteine

Manchmal scheint es schwierig oder schlicht unmöglich, einen Kompromiss zu schließen. Woran liegt das – woran kann die Verständigung auf ein gemeinsames Vorgehen scheitern? Sich in der Mitte treffen klingt oft simpel, aber nicht immer gelingt ein Kompromiss, oder mindestens ein Beteiligter ist am Ende nicht zufrieden. Das kann verschiedene Ursachen haben.

Ein häufiges Problem bei Verhandlungen ist mangelndes Einfühlungsvermögen in die Sichtweise des jeweils anderen. Man hört nicht richtig zu, sieht nur seine Sichtweise und versucht, sich durchzusetzen. Wer nicht richtig hinhört, erkennt wahrscheinlich nicht, wo es Berührungspunkte gibt und was gegeben sein müsste, damit der andere mit einem Kompromiss zufrieden wäre. Vorurteile über die Beweggründe der anderen Person können es zusätzlich erschweren, einen Kompromiss einzugehen.

Oft verlaufen Verhandlungen zu emotional. Die Beteiligten nehmen die Sache persönlich oder es geht ihnen ums Prinzip. Wenn bestimmte Streitpunkte eine längere Vorgeschichte haben, ist die Lage oft verfahren und es ist meist nicht ohne Weiteres möglich, die Situation zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen.

Zu viele gegensätzliche Interessen können zu suboptimalen Kompromissen führen

Es kann in Verhandlungen auch zum Problem werden, wenn einer oder gleich mehrere Beteiligte zu zurückhaltend sind. Vielen Menschen fehlt es am nötigen Selbstbewusstsein, um ihre Wünsche klar zu formulieren. Wer sich nicht traut, seine ehrliche Meinung zu sagen, kann wahrscheinlich auch keinen zufriedenstellenden Kompromiss erzielen. Oft gehen solche Personen schon mit Minimalforderungen ins Rennen – und ärgern sich später, wenn sie das Gefühl haben, über den Tisch gezogen worden zu sein. Dabei haben sie selbst nicht deutlich (genug) gemacht, was ihnen wichtig ist.

Kompromisse können auch dadurch erschwert werden, dass zum falschen Ort oder zur falschen Zeit verhandelt wird. Wenn die Beteiligten sich beispielsweise streiten oder emotional stark aufgewühlt sind, ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sachlich über einen Kompromiss zu sprechen.

Und noch etwas kann der Kompromissfindung im Weg stehen: wenn zu viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen. Angenommen, es verhandeln gleich sechs Personen miteinander. Sie haben zum Teil nicht nur unterschiedliche, sondern gegensätzliche Vorstellungen, und sind jeweils stark überzeugt von ihrer Haltung. Dann wäre ein Kompromiss zwar nicht unmöglich, aber er wäre womöglich so verwässert, dass keiner der Beteiligten damit glücklich wäre, weil er nur einen Minimalkonsens darstellen würde.

Warum Ihre Kompromissbereitschaft nicht grenzenlos sein sollte

Kompromisse sind wichtig. Es wird immer Situationen geben, in denen Sie sich mit Ihren Mitmenschen einigen müssen. Insofern ist Kompromissbereitschaft grundsätzlich eine wichtige Eigenschaft, die das Zusammenleben mit anderen erleichtern kann. Trotzdem sollten Sie nicht in jeder Situation um jeden Preis Kompromisse schließen.

In manchen Situationen würden Kompromisse bedeuten, dass Sie Ihre Ziele, Träume oder Wertvorstellungen aufgeben müssten. Ein Verrat an den eigenen Idealen ist wahrscheinlich nichts, mit dem Sie langfristig leben können. Wenn Sie sich nachher nicht mehr im Spiegel ansehen können, sollten Sie keinen Kompromiss schließen.

Problematisch ist es auch, wenn jemand immer wieder Kompromisse mit einer bestimmten Person eingeht, dabei aber jedes Mal das Gefühl hat, den Kürzeren zu ziehen. Manche Menschen sind kaum kompromissfähig und ringen anderen mehr ab als sie selbst zu geben bereit sind. Die fühlen sich dann benachteiligt – und sind es wahrscheinlich auch. Solche faulen Kompromisse nützen Ihnen am Ende nichts.

Wo liegt Ihre rote Linie?

Ein Beispiel wäre, wenn Sie mit Ihrem Partner darüber diskutieren, wer wie viel im Haushalt macht. Ihr Partner macht bislang fast gar nichts und Sie alles. Das ist für den anderen bequem und er möchte gar nichts ändern, schlägt Ihnen aber vor, ab sofort den Müll rauszubringen, um Sie zu besänftigen. An Ihnen würde weiterhin der Großteil des Haushalts hängenbleiben – und sich auf den Vorschlag einzulassen wäre ein fauler Kompromiss, von dem Sie nichts haben.

Machen Sie sich vor Verhandlungen mit anderen klar, wo Ihre roten Linien liegen. Betrachten Sie auch das große Ganze, bevor Sie sich auf einen Kompromiss einlassen: Werden Sie fair behandelt? Sind die Zugeständnisse, die die Beteiligten machen, vergleichbar in ihrer Bedeutung? Womit können Sie leben und womit nicht? Akzeptieren Sie, dass es manchmal nicht möglich ist, zufriedenstellende Kompromisse zu finden, und dass es dann besser sein kann, sich nicht zu einigen.

Kompromisse eingehen: Vor- und Nachteile

Kompromisse einzugehen kann Vorteile haben, aber auch mit Nachteilen verbunden sein. Die wichtigsten Aspekte, die an Kompromissen vorteilhaft beziehungsweise nachteilig sind, finden Sie hier im Überblick.

Vorteile von Kompromissen

  • Kompromisse können Konflikte lösen oder die Entstehung von Konflikten verhindern
  • Für ein gemeinsames Vorgehen sind Kompromisse häufig unerlässlich
  • Oft können beide Seiten gewinnen, indem ein Kompromiss eingegangen wird
  • Manche Dinge kann man nur dann ansatzweise durchsetzen, wenn man sich auf einen Kompromiss einlässt

Nachteile von Kompromissen

  • Wer nicht gut verhandelt, schließt womöglich Kompromisse, mit denen er unzufrieden ist
  • Auf der anderen Seite können Menschen, die rhetorisch versiert sind, sich womöglich öfter durchsetzen – auf Kosten von zurückhaltenderen Personen
  • Echte Kompromisse zu finden kann in manchen Situationen sehr schwer sein, wenn die Vorstellungen der Beteiligten stark voneinander abweichen
  • Manchmal führt ein Kompromiss zum nächsten, was problematisch ist, wenn eine Person dabei immer wieder ihre Vorstellungen durchboxt

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