Konfliktscheu im Beruf: Strategien zur konstruktiven Konfliktlösung

„Der Klügere gibt nach“ – an dieses Sprichwort scheinen sich viele konfliktscheue Menschen zu halten. Doch so positiv es ist, nicht direkt zu eskalieren: Konfliktvermeidung kann ebenfalls weitreichende Folgen haben.

So haben konfliktscheue Menschen oft berufliche Nachteile und nicht selten körperliche Beschwerden, weil es ihnen nicht gelingt, Konflikte konstruktiv zu lösen. Wir haben uns angesehen, was dagegen helfen kann.

Ein Mann hält schützende Hände vor sich, wann ist man konfliktscheu?

Was bedeutet es, konfliktscheu zu sein?

Konfliktscheue Menschen versuchen nicht um jeden Preis, sich durchzusetzen. Gerade im Berufsleben liegt hier jedoch ein Knackpunkt. Denn Kolleginnen und Kollegen, die ständig nachgeben und lieber einen Nachteil für sich in Kauf nehmen, als deutlich zu sagen, was ihnen nicht passt, haben schneller das Nachsehen.

Wie diverse Untersuchungen zeigen, stehen sich konfliktscheue Arbeitnehmer unter anderem auch bei Beförderungen selbst im Weg. Konfliktscheue geht nämlich häufig damit einher, nicht für sich einzustehen.

Konfliktvermeidung bedeutet in vielen Fällen auch, dass man die eigenen Verdienste und das, was wirklich gut gelaufen ist, nicht öffentlich kundtut.

Konfliktvermeidung: Die Folgen

Den meisten konfliktscheuen Menschen gelingt es nicht durchgehend, ihre eigenen Wünsche und Ziele hintenanzustellen. Irgendwann platzt ihnen der Kragen und sie wehren sich. Die ursprünglich geplante Konfliktvermeidung schlägt dann ins Gegenteil um: Statt die Auseinandersetzung zu vermeiden, eskaliert der Streit. Das beeinflusst das Betriebsklima im schlimmsten Fall sogar nachhaltig.

Denn viele konfliktscheue Menschen unterdrücken ihren Ärger sehr lange. So lange, bis es nicht mehr anders geht und sie vor Frust und Wut förmlich platzen. Das führt nicht nur zu dem eben beschriebenen Konflikt, sondern kann noch weitere Folgen haben:

Wer seinen Ärger immer wieder herunterschluckt, anstatt ihn offen auszusprechen, entwickelt unter Umständen körperliche Beschwerden. Zunächst können sich Verspannungen im Körper aufbauen, die im nächsten Schritt zu Rückenschmerzen oder Beschwerden im Nacken-Schulter-Bereich führen.

Wer so konfliktscheu ist, dass er jede Auseinandersetzung vermeidet, kann wahrscheinlich auch nicht ruhig schlafen. Da die Anspannung, die sich tagsüber aufgebaut hat, in der Nacht nicht einfach verschwindet, neigen besonders konfliktscheue Menschen dazu, mit den Zähnen zu knirschen. Das ist nicht nur schlecht für die Zähne, sondern kann wiederum in Wechselwirkung mit Rückenschmerzen stehen, die dadurch noch verstärkt werden.

Die Folgen der Konfliktvermeidung am Arbeitsplatz

Konfliktscheues Verhalten kann am Arbeitsplatz dazu führen, dass sich die Situation weiter verschärft. Wer von Verspannungen und Rückenschmerzen geplagt wird und noch dazu schlecht schläft, der wird nicht besonders gut gelaunt sein.

Daraus können Unruhe und Nervosität resultieren und in vielen Fällen beeinträchtigt der schlechte Allgemeinzustand irgendwann auch die Performance – die Arbeitsergebnisse werden schlechter.

Wenn die konfliktscheue Person immer gereizter und unzufriedener wird, kann sich das wiederum auf die Stimmung am Arbeitsplatz auswirken, wodurch es leichter zu einem Konflikt kommen kann.

Langfristig kann die Konfliktvermeidung einer oder mehrerer Personen am Arbeitsplatz dazu führen, dass letztlich alle Beschäftigten im Unternehmen davon betroffen sind. Im schlimmsten Fall ergeben sich folgende Konsequenzen:

  1. Kommunikation leidet: Abhängig davon, wie viele Mitarbeiter konfliktscheu sind und ob bereits eine kritische Schwelle erreicht ist, leidet die gesamte Kommunikation im Unternehmen. Es gibt kein offenes, wertschätzendes Feedback, an dem man wachsen kö Stattdessen wird alles getan, um kritische Punkte nicht ansprechen zu müssen, was wiederum Informationslücken und letztlich Missverständnisse begünstigt.
  2. Motivation sinkt: Die zuvor geschilderte Situation trägt dazu bei, dass die Mitarbeiter zunehmend ungern zur Arbeit kommen. Die Stimmung ist schlecht und vor allem konfliktscheue Kollegen haben alle Hände voll zu tun, Konflikte um jeden Preis zu vermeiden. Das bedeutet Stress und Anspannung, was sich wiederum negativ auf die Motivation auswirkt.
  3. Ressentiments entwickeln sich: Sinkende Motivation, schlechte Stimmung im Team und das Gefühl nicht gelöster Konflikte führen dazu, dass sich bei einigen Kollegen negative Gefühle aufbauen. Groll, Missmut und ein generelles Unbehagen bestimmten Mitarbeitern gegenüber können die Folge sein, was wiederum zu Frustration führt.

Konfliktscheue überwinden: So kann es gelingen

Aufgrund der aufgezeigten negativen Folgen sollte es im Sinne aller Beteiligten sein, so schnell wie möglich etwas gegen Konfliktscheue zu unternehmen. Sollte der Versuch in Eigenregie scheitern, können Psychologen oder Coaches die Teams dabei unterstützen, etwas gegen Konfliktvermeidung am Arbeitsplatz zu tun und zu einer offenen und wertschätzenden Arbeitskultur zurückzufinden.

Bevor Sie einen Experten hinzuziehen, können Sie aber Folgendes ausprobieren: 

  1. Sich selbst reflektieren: Experten weisen immer wieder darauf hin, dass ein Grund für die Konfliktscheue in der eigenen Sozialisation zu suchen ist. Wer als Kind und Jugendlicher immer wieder erfahren hat, dass es besser ist, Konflikten aus dem Weg zu gehen, der wird dieses Verhalten auch als Erwachsener beibehalten. Versuchen Sie, durch intensive Selbstreflexion herauszufinden, ob ein solcher oder ähnlicher Grund dafür verantwortlich ist, dass Sie konfliktscheu sind. Wenn nicht, versuchen Sie, zu ergründen, in welchen Situationen Sie besonders häufig konfliktscheu sind und ob es einen spezifischen Grund für dieses Verhalten gibt.
  2. Kommunikation trainieren: Konfliktvermeidung lässt sich durch gezielte Kommunikation überwinden. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie Konflikte durch gezielte Kommunikation lösen können, bevor sie entstehen, können Sie Konflikte auch auf diese Weise vermeiden. Um effektive Kommunikation zu trainieren, können Sie zum Beispiel Rollenspiele durchführen oder im Nachhinein Szenen rekonstruieren, in denen Sie sich anders verhalten hätten. Vielleicht gelingt es Ihnen dann beim nächsten Mal, in einer vergleichbaren Situation ein besseres Ergebnis zu erzielen.
  3. Unterstützung suchen: Informieren Sie Ihre Freunde und vor allem Ihre Kollegen darüber, dass Sie versuchen wollen, Konflikten nicht mehr aus dem Weg zu gehen. Wenn Ihr Umfeld von Ihrem Vorhaben weiß, kann es Sie an der entsprechenden Stelle darauf hinweisen, dass Sie wieder einmal aktiv Konfliktvermeidung betreiben. Wenn Ihnen bewusst wird, in welcher Situation Sie sich wieder konfliktscheu verhalten, können Sie eher etwas dagegen tun.
  4. Sich Zeit lassen: Nehmen Sie sich bei all diesen Schritten nicht zu viel vor. Es ist nicht einfach, Verhaltensweisen zu ändern, die Sie seit Ihrer Kindheit innehaben. Erkennen Sie auch kleine Erfolge an und freuen Sie sich, wenn Sie es hin und wieder schaffen, schwelende Konflikte aktiv anzugehen, statt ihnen aus dem Weg zu gehen. Das ist gut für Ihr Selbstbewusstsein und ermutigt Sie, weiter daran zu arbeiten, in Zukunft nicht mehr so konfliktscheu zu sein, sondern Dinge aktiv anzusprechen, bevor sie sich zu einem großen Problem auftürmen.

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