Tarifvertrag: Was ist darin geregelt und für wen gilt er?

Tarifvertrag wird zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern geschlossen

In einem Tarifvertrag sind Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern geregelt. Die Bestimmungen von Tarifverträgen geben den Rahmen vor, in dem Arbeitsverhältnisse ausgestaltet werden können, und klären wichtige Sachverhalte. Hier erfahren Sie, welchen Inhalt Tarifverträge haben, wann Tarifverträge gelten und welche Varianten es gibt.

Tarifvertrag: Was ist darunter zu verstehen?

In Arbeitsverhältnissen sind viele Fragen zu klären: Wie hoch ist der Lohn oder das Gehalt? Wie viele Urlaubstage haben die Beschäftigten? Welche Arbeitszeiten gelten – und was ist mit Überstunden? Solche Sachverhalte sind normalerweise im Arbeitsvertrag geregelt. Auch eine Betriebsvereinbarung sowie Gesetze entscheiden darüber, wie ein Arbeitsverhältnis praktisch aussehen kann. In vielen Betrieben gelten außerdem Tarifverträge. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür sind durch das Tarifvertragsgesetz (TVG) vorgegeben.

Tarifverträge gelten entweder für ganze Branchen oder für einzelne Unternehmen und ihre Beschäftigten. Ein Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten, die in Beschäftigungsverhältnissen für die Vertragspartner gelten. Die Regelungen eines Tarifvertrags geben vor, wie die Arbeitsbedingungen im Geltungsbereich ausgestaltet werden können. Wo ein Tarifvertrag anwendbar ist, hat er eine bindende Wirkung. Arbeitgeber können sich dann also nicht aussuchen, ob sie sich an die Bestimmungen eines Tarifvertrags halten möchten oder nicht. Sie sind dazu verpflichtet.

Wie wird ein Tarifvertrag abgeschlossen?

Tarifverträge können zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, aber auch zwischen Gewerkschaften und einzelnen Arbeitgebern geschlossen werden. Mitglieder der Gewerkschaften der betreffenden Branche oder des Unternehmens können am Tarifabschluss beteiligt sein. Das geht über eine sogenannte Tarifkommission. Bei Tarifverhandlungen herrscht Tarifautonomie nach Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes. Sie besagt, dass die Tarifvertragsparteien die Inhalte des Tarifvertrags frei verhandeln können, ohne, dass sich der Staat dabei in die Verhandlungen einmischen würde.

Während Tarifverhandlungen kann es zu Streiks kommen. Das ist häufig der Fall, wenn sich die Arbeitgeberverbände nicht auf den Tarifvertrag in der von der Gewerkschaft vorgesehenen Form einlassen wollen. Durch Streiks werden die Arbeitgeber unter Druck gesetzt, Arbeitnehmer können ihren Forderungen Nachdruck verleihen und erhalten so mehr Macht. Während eines Streiks erhalten streikende Arbeitnehmer zwar keinen Lohn, allerdings bekommen sie eine Streikunterstützung von ihrer Gewerkschaft.

Was regeln Tarifverträge?

Aus einem Tarifvertrag ergeben sich verschiedene Regelungen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Tarifvertrags beachten müssen. Er verleiht Arbeitgebern und Arbeitnehmern gewisse Rechte, erlegt ihnen aber auch Pflichten auf. So ist es in § 1 Absatz 1 des Tarifvertragsgesetzes vorgesehen. Im Kern geht es bei einem Tarifvertrag um die Arbeitsbedingungen in Beschäftigungsverhältnissen.

Zu den Sachverhalten, die in einem Tarifvertrag geregelt sein können, zählen unter anderem diese Aspekte:

  • Höhe von Lohn oder Gehalt, gegebenenfalls auch vorgesehene Erhöhungen der Vergütung der Beschäftigten im Geltungsbereich
  • die wöchentliche Arbeitszeit und die maximale tägliche Arbeitszeit
  • die Zahl der Urlaubstage pro Jahr – es dürfen allerdings nicht weniger Urlaubstage sein, als das Bundesurlaubsgesetz vorgibt
  • Kriterien zur Eingruppierung der Beschäftigten, die über die Höhe ihres Entgelts entscheidet
  • die Modalitäten der Entgeltfortzahlung, wenn Mitarbeiter erkrankt oder aus anderen Gründen arbeitsunfähig sind
  • die mögliche Zahlung von Zuschlägen und Zulagen unter bestimmten Umständen, etwa bei Überstunden
  • die Einführung von Kurzarbeit in bestimmten Situationen
  • Anspruch der Beschäftigten auf Sonderzahlungen, zum Beispiel Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld
  • die Modalitäten der Kündigung von Arbeitsverhältnissen sowie Kündigungsfristen
  • Anforderungen an die Arbeitsumgebung der Beschäftigten
  • Ausschlussfristen für Forderungen

Verschiedene Arten von Tarifverträgen

In der Praxis gibt es verschiedene Arten von Tarifverträgen. Unterschieden werden sie im Hinblick darauf, wer an ihrem Abschluss beteiligt war und welche Inhalte sie haben. Auch in ihrem Geltungsbereich unterscheiden sich Tarifverträge.

Der Verbandstarifvertrag oder Flächentarifvertrag

Eine oft genutzte Variante des Tarifvertrags ist der Verbandstarifvertrag, auch bekannt als Flächentarifvertrag. Er wird zwischen mehreren Arbeitgeberverbänden und einer Gewerkschaft geschlossen. Seine Bestimmungen gelten für eine ganze Branche oder auch mehrere Branchen. Der Geltungsbereich eines Verbandstarifvertrags ist räumlich begrenzt, etwa auf ein bestimmtes Bundesland oder mehrere Bundesländer.

Der Firmentarifvertrag

Am Abschluss eines Firmentarifvertrags oder Haustarifvertrags sind keine Arbeitgeberverbände beteiligt. Vielmehr wird er von der Gewerkschaft und einem einzelnen Arbeitgeber geschlossen. Entsprechend gilt er auch nur für das jeweilige Unternehmen und seine Beschäftigten. Oft beziehen sich Firmentarifverträge zumindest teilweise auf die Regelungen anderer Tarifverträge, die sie anerkennen können. Ein solcher Tarifvertrag ist dann auch als Anerkennungstarifvertrag bekannt.

Der Manteltarifvertrag

Manteltarifverträge, kurz MTV, sind auch als Rahmentarifverträge bekannt. Der Manteltarifvertrag wird von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgehandelt. Er enthält allgemeine Bestimmungen, die die Arbeitsbedingungen betreffen. Er wird für längere Zeit geschlossen und enthält typischerweise keine Angaben zur Höhe der Vergütung, welche in Lohn- und Gehaltstarifverträgen mit kürzerer Laufzeit geregelt ist.

Lohn- und Gehaltstarifverträge

Die Höhe des Entgelts der Beschäftigten im Geltungsbereich wird in Lohn- und Gehaltstarifverträgen vorgeschrieben. Sie haben üblicherweise eine kurze Laufzeit von meist einem Jahr. Entsprechend häufig wird die Vergütung der Beschäftigten neu verhandelt, was zu Lohn- und Gehaltserhöhungen führen kann. Tariflöhne sind als Branchenmindestlöhne zu verstehen. Sie dürfen vom gesetzlichen Mindestlohn nur nach oben abweichen.

Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge

Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge regeln grundsätzliche Aspekte, unter anderem die Eingruppierung von Beschäftigten sowie Fragen der Arbeitsbewertung. Ein solcher Tarifvertrag gilt üblicherweise für mehrere Jahre.

Beispiele für Tarifverträge

In Deutschland gibt es zahlreiche Tarifverträge – insgesamt sind es gegenwärtig rund 77.000. Beispiele für Tarifverträge sind:

  • Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, TVöD
  • Gehaltstarifvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen, Tarifvertrag MFA
  • Entgeltrahmentarifvertrag ERA (gilt für die Metall- und Elektroindustrie)
  • Bundesrahmentarif für das Baugewerbe, BRTV-Bau
  • Tarifvertrag für Ärzte, TV-Ä

Wann gilt ein Tarifvertrag?

In welchen Fällen gilt ein Tarifvertrag? Es gibt drei Szenarien, in denen das der Fall ist:

  • es herrscht eine Tarifbindung
  • im Arbeitsvertrag wird auf einen geltenden Tarifvertrag Bezug genommen
  • der Tarifvertrag ist allgemeinverbindlich

Tarifverträge mit Tarifbindung

Ein Tarifvertrag ist für tarifgebundene Arbeitgeber und -nehmer bindend. Er gilt damit, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitgeberverband angehört, der einen Tarifvertrag ausgehandelt hat. Tarifverträge gelten außerdem für Arbeitnehmer, die Mitglieder der Gewerkschaft sind, die am Tarifvertragsabschluss beteiligt war. Firmentarife gelten im Speziellen für das Unternehmen, das sie geschlossen hat. Sowohl bei Tarifbindung als auch bei Haustarifen sind Tarifverträge automatisch für Beschäftigungsverhältnisse anzuwenden.

Im Arbeitsvertrag wird auf einen Tarifvertrag Bezug genommen

Der Arbeitgeber kann im Arbeitsvertrag außerdem Bezug auf einen geltenden Tarifvertrag nehmen. Auch dadurch wird ein Tarifvertrag für ein bestimmtes Arbeitsverhältnis wirksam. Das machen manche Arbeitgeber, um zu verhindern, dass Beschäftigte sich gewerkschaftlich organisieren. Es steht Arbeitgebern frei, einzelne Regelungen aus Tarifverträgen zu übernehmen oder sich auf den Tarifvertrag insgesamt zu beziehen. Entweder verweist der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag auf einen speziellen Tarifvertrag in einer bestimmten Fassung oder auf geltendes Tarifrecht. Letzteres ist für Arbeitnehmer günstiger, weil sie von Tarifentwicklungen profitieren.

Allgemeinverbindliche Tarifverträge

Manche Tarifverträge sind allgemeinverbindlich. Das bedeutet, dass Beschäftigte keine Mitglieder der jeweiligen Gewerkschaft sein müssen und auch Arbeitgeber nicht einem Arbeitgeberverband angehören müssen, damit der Tarifvertrag für sie gilt. Die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags kann von einem Bundesminister oder Landesminister erklärt werden.

Tarifvertrag und Arbeitsvertrag: Wo liegen die Unterschiede?

Die Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen ist in der Praxis oft gleich an mehreren Stellen geregelt. Besonders relevant sind dabei der Arbeitsvertrag, eine mögliche Betriebsvereinbarung und Tarifverträge. Ein Arbeitsvertrag stellt dabei, anders als ein Tarifvertrag, immer eine individualrechtliche Regelung dar. Er kann von Arbeitnehmer zu Arbeitnehmer unterschiedlich ausfallen. Gleichzeitig gibt der Arbeitgeber in der Regel alleine vor, welche Bestimmungen der Arbeitsvertrag enthält. Das schwächt die Position des Arbeitnehmers.

Anders beim Tarifvertrag: Hierbei handelt es sich um eine kollektivrechtliche Vereinbarung, die grundsätzlich für alle Beschäftigten im jeweiligen Geltungsbereich gültig ist. Weil die Gewerkschaften bei der Aushandlung eines Tarifvertrags eine entscheidende Rolle spielen, enthalten Tarifverträge aus Arbeitnehmersicht häufig günstigere Regelungen als Arbeitsverträge. Sie können den Beschäftigten zusätzliche Rechte verleihen.

Es kann passieren, dass Arbeitsvertrag und Tarifvertrag sich in bestimmten Themen überschneiden. Was gilt dann? In solchen Fällen greift das Günstigkeitsprinzip. Für den Beschäftigten gilt die Regelung, die für ihn besser ist. Das kann also auch bedeuten, dass in bestimmten Fragen der Arbeitsvertrag gilt, wenn er günstigere Konditionen für Arbeitnehmer beinhaltet.

Tarifvertrag: Vorteile und Nachteile

In aller Regel profitieren Arbeitnehmer davon, wenn für ihr Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag angewendet werden kann. Auch für Arbeitgeber ergeben sich dadurch Vorteile. Die wichtigsten Vorteile, aber auch Nachteile von Tarifverträgen finden Sie hier im Überblick.

Vorteile von Tarifverträgen

  • Soweit Tarifbindung herrscht oder ein Tarifvertrag für allgemeingültig erklärt wurde, müssen sich Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) daran halten. Der Arbeitgeber kann nicht durchsetzen, dass für seine Beschäftigten abweichende Regelungen gelten – zumindest nicht, wenn diese aus Arbeitnehmersicht schlechter sind.
  • Tarifverträge werden von Gewerkschaften verhandelt, um die Rechte von Arbeitnehmern zu stärken. Deshalb gehen sie in der Regel mit besseren Bedingungen für die Beschäftigten einher, als es ohne Tarifvertrag der Fall wäre.
  • Ohne Tarifvertrag müssten Arbeitnehmer bessere Konditionen einzeln mit dem Arbeitgeber aushandeln. Dabei haben sie jedoch eine deutlich schwächere Position – entsprechend geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber durchsetzen können.
  • Besonders Lohn- und Gehaltstarifverträge haben eine kurze Laufzeit. Meist werden sie nach einem Jahr erneut verhandelt. Das geht für viele Beschäftigte mit regelmäßigen Lohn- oder Gehaltserhöhungen einher.
  • Tarifverträge enthalten häufig Grundsätze zur Entlohnung. Damit werden willkürliche Unterschiede in der Bezahlung von Beschäftigten verhindert. Außerdem sorgen Tariflöhne für mehr Transparenz.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld bekommen, steigt mit dem Abschluss eines Tarifvertrags.
  • Tarifverträge bedeuten außerdem häufig einen höheren Urlaubsanspruch für Beschäftigte.
  • Für Arbeitgeber bedeuten Tarifverträge weniger Arbeit, weil viele wichtige Fragen des betrieblichen Alltags dadurch bereits geklärt werden.
  • Ebenfalls vorteilhaft ist für Arbeitgeber, dass durch Tarifverträge keine Streiks mehr drohen. Tarifverträge gehen mit einer Friedenspflicht einher. Zu Streiks kann es lediglich bei neuen Verhandlungen kommen.

Nachteile von Tarifverträgen

  • Nachteile ergeben sich aus Sicht von Arbeitnehmern durch Tarifverträge praktisch nicht. Ihr Einfluss nimmt durch Tarifverträge zu, ihre Rechte werden gestärkt.
  • Für Arbeitgeber können Tarifverträge mit gewissen Nachteilen einhergehen. Sie müssen ihren Mitarbeitern abhängig von den Bestimmungen des Tarifvertrags etwa mehr Urlaub oder ein höheres Gehalt gewähren.

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